
Theatre of Displaced People
Theater für und mit Binnengeflüchteten in der Ukraine. Kulturelle Arbeit mit Menschen im Osten der Ukraine, die vom Krieg betroffen sind
Text von Georg Genoux
Ich inszenierte seit 2003 an verschiedenen Staatstheatern in Kyjiw. 2014 lud mich die
ukrainische Dramatikerin Natalia Vorozhbyt während der Maidan Revolution ein, in Kyjiw
gemeinsam ein Theater für zeitgenössische Dramatik zu gründen. Wir waren zuvor durch
nach einer Zusammenarbeit am Teatr.doc in Moskau seit 2002 befreundet.
Nach der Revolution auf dem Maidan begann dann aber der Krieg im Osten der Ukraine, der
die Pläne von Natalia Vorozhbyt und mir für ein neues Theater vollkommen auf den Kopf
stellte. Auf einmal stellte sich nicht mehr die Frage, wie man durch moderne
Theaterinszenierungen in Kyjiw Erfolg haben könnte, sondern wie Theater in diesem
schrecklichen Kriegsalltag Menschen helfen kann, mit eben dieser Situation fertig zu
werden.
Wir gründeten im Dezember 2014 zusammen mit dem Kriegspsychologen Alexei Karachinskii das Theatre of Displaced People, das in Kyjiw als Zentrum für Binnenflüchtlinge arbeitete und wo wir versuchten durch Theater mit Betroffenen ihre teilweise traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten, für sie neue soziale Kontakte zu finden und neue Lebensperspektiven zu entwickeln.
Im gleichen Atemzug verwirklichten wir seit 2014 über 30 künstlerische Projekte mit
Schülern, Bürgern und Soldaten in ehemaligen und aktive Kriegsgebieten im Osten der
Ukraine.
Aus dem Verständnis, dass die Heilung der Seele des Menschen die größte Schönheit ist,
versuchten wir eine ganz eigene Theatersprache zu entwickeln, die zum Beispiel in der
Theaterinszenierung Mein Nikolajewka von Natalia Vorozhbyt und mir mit Schülern im
Osten der Ukraine sehr deutlich zu sehen ist. Persönliche Gegenstände von Protagonisten
werden zu “Medien”, durch die die Schüler ihre Geschichten des Erwachsenwerden im Krieg
erzählen. An diesen Gegenständen halten sie sich auch fest bzw. die Gegenstände stützen
die Schüler und wirken wie die “Hand eines Freundes” in ihren Händen. Ziel unserer Arbeit
war, dass die Schüler durch das Mitteilen sich nicht mehr “als Opfer, sondern als Helden
ihrer Geschichten” empfinden. Die Theaterinszenierung, die darauf basierende Filmversion der Inszenierung “Mein Nikolajewka” und der darauf basierende Film “School #3” wurden in vielen Städten in der Ukraine und in vielen Ländern vorgestellt und “School #3” erhielt u.a. 2017 den Grand Prix der internationalen Jury des Wettbewerbs “Generation14+” der 67. Berliner Filmfestspiele (Berlinale).
Mit vielen der Schüler aus der Stadt Nikolajewka arbeite ich bis heute in neuen Projekten, jetzt auch in Deutschland und Bulgarien, weiter.
Ich möchte im Folgenden einige Arbeiten hervorheben, die in erster Linie nur durch das große Vertrauen der Teilnehmenden untereinander möglich waren. Möglicherweise ist dies auch als ukrainischer Gegenentwurf zur Gewalt und politischen Manipulation zu verstehen, die von Russland in der Ukraine schon lange vor 2022 ausging.
Als ich den Monolog Nr.1 von Natalia Vorozhbyt inszenierte, war sie nicht nur Autorin, sondern auch Darstellerin ihrer eigenen Worte. Dieser Monolog war ein Versuch von uns, für Natalia Vorozhbyt eine kräftige Position in den verwirrenden Kriegszeiten zu finden, der das gewöhnliche Bewusstsein auf den Kopf stellte. Auf einmal waren Soldaten nicht mehr die “Trottel der Gesellschaft”, sondern wurden bewundert. Auf einmal war es in Ordnung, Menschen zu töten, um die Ukraine zu retten. Natalia Vorozhbyt fand ihre Position in einer bemerkenswerten Selbstironie, die man sonst in der Ukraine wenig trifft.
Überhaupt standen in unserem Theater selten Schauspieler auf der Bühne, sondern “echte
Menschen”, wie ich mich mal bei einer Probe versprach. Dieser Versprecher wurde so etwas
wie das Leitmotiv unseres Theaters.
Besondere Projekte des Theaters waren sicher auch die Inszenierungen “Die Ware” von Alik
Sardarian und “Gefangenschaft” mit Alisa Kovalenko. Sie bekamen beide große
Aufmerksamkeit in der Ukraine.
Die Ware ist eine Inszenierung von und ein autobiographischer Augenzeugenbericht des
ehemaligen Soldaten und Sanitäters Alik Sardarian, in dem er schonungslos die Brutalität
und das Grauen des Sterbens im Krieg schildert. Im Gegensatz zu der die Helden
glorifizierenden Bilder der staatlichen ukrainischen Propaganda. Es war das Debüt des damals 23 jährigen im Theater, der sich in dieser Zeit zu einem kräftigen Regisseur unseres Theaters entwickelte, der an vielen Inszenierungen mitwirkte.
In Gefangenschaft arbeiteten der Psychologe und Kriegs Therapeut Alexei Karachinskii und ich mit der Dokumentarfilmerin Alisa Kovalenko, die in dieser Inszenierung ihre Erlebnisse in ihrer Kriegsgefangenschaft in Slawjansk ausdrücke, wie physische und
psychische Gewalt. Auf der Bühne standen Alisa Kovalenko und ich zu zweit um die verschiedenen Stadien ihre Gefangenschaft zu rekonstruieren, wobei ich mich immer wieder in neue Rollen von Figuren verwandle, die sie in dieser Zeit
traf.
Nach jeder Vorstellung wurde bis zu 30 Minuten geschwiegen, dann Alisa Kovalenko stehend applaudiert.
Das Theatre of Displaced People nahm an vielen Festivals bei über 20 internationalen Gastspielen teil. Die Partnerschaft mit dem Studio Я des Maxim Gorki Theaters in Berlin und der dabei entstandene mehrfache Gastspiel Austausch war eine große Bereicherung.
Ein für mich wichtiger kuratorischer Versuch war mein Progamm The Stage of Displaced
People im Rahmen des Gogolfest 2016 auch Theaterprojekte zu zeigen, die die
Lebenswirklichkeit von Geflüchteten in und aus anderen Ländern thematisierte, da ja z.B.
syrische Geflüchtete in der Ukraine oft von den Milizen schwer misshandelt werden. Das
Gastspiel der Inszenierung des syrischen Regissseurs Ayham Majid Agha ”Das Skelett
eines toten Elefanten in der Wüste” führte beim Publikum zu einem extremen Kampf mit
dem eigenen Bewusstsein, dass “nicht nur wir leiden”.
Das 2-jährige Projekt Kinder und Krieger in 4 vom Krieg sehr stark betroffenen Städten Städten im Donbass hatte das Ziel, durch das Theaterspielen zum “Erstkontakt” von örtlichen Schüler*Innen und dort stationierten Soldaten beizutragen.
Sie standen nach teilweise sehr kontroversen Auseinandersetzungen untereinander gemeinsam mit ihren persönlichen Geschichten auf der Bühne.
Es hat auf der einen Seite wirklich zu einem Dialog zwischen diesen beiden Gruppen
geführt, der Angst auf beiden Seiten abbaute. Es entstanden dadurch sogar ungewöhnliche
Freundschaften zwischen einzelnen Schülern und Soldaten, die bis heute andauern.
Nie werde ich den Telefonanruf des Kommandanten Wladimir Pastushok der letzten
Grenzbastion vor den feindlichen Truppen vor Popasna vergessen, der an unserer
Inszenierung teilnahm. Es war am Tag nach unserer Premiere und wir fuhren im Zug zurück
nach Kyjiw. Er rief an und sprach: “Heute Morgen haben uns die Schüler hier besucht. Man
kann von hier sogar ihre Häuser sehen. Wenn mein Nachfolger hier ankommt und ich ihm
das Kommando übergebe, werde ich ihm sagen: Siehst du diese Fenster dort? Dort wohnt
Oleg und dort wohnt Marina. Das sind unsere Freunde. Bitte beschütze sie.”
Nie vergesse ich den Monolog einer Schülerin aus Popasna, in dem sie spricht: “Ich kam
aus dem Ferienlager im Bus nach Hause. Plötzlich hörte ich Schüsse. Es überkam mich so
ein Glücksgefühl. Endlich wieder zu Hause”.
Bis Februar 2022 waren wir uns sicher, dass diese Jugendlichen die einzige Kindergenration sein werden, die im Krieg erwachsen werden müssen.
Die Arbeit von Theatre of Displaced People (2014 - 2017) war hauptsächlich ehrenamtlich und wurde gelegentlich vom Goethe Institut unterstützt.
Das Theatre of Displaced People wurde zu vielen Gastspielen in der Ukraine, zu internationalen Gastspielen sowie zu nationalen und internationalen Theaterfestivals eingeladen.
Im Dezember 2015 kürte die gazeta.ua das Theater zur "Wichtigsten Errungenschaft des Ukrainischen Theaters 2015". Dezember 2016 schrieb die Ukrainian Pravda, dass das “Theatre of Displaced People mehr für den Dialog von Menschen aus Ost und West tut, als alle staatlichen Programme zusammen.”
2018 setzte ich meine Theaterarbeit mit Jugendlichen im Osten der Ukraine mit dem PostPlay Theater fort, mit dem wir jährlich mit Unterstützung des Auswärtigen Amts im Programm Östliche Partnerschaften Projekte unter dem Titel Misto to Go in 6 vom Krieg betroffenen Schulen im Donbas durch führten. Das letzte Misto to Go Projekt setzten wir dann Ende 2022 im Thespis Zentrum in Bautzen um, da aufgrund des Krieges es nicht mehr in seinen Schulen im Donbas möglich war.
Viele meiner damals aktuellen und ehemaligen Schüler*Innen, deren Eltern und Lehrer*Innen, sowie meine künstlerischen Kolleg*Innen waren nach Deutschland und auch nach Bautzen geflohen, wo wir mit großer Unterstützung des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters versuchten, ihnen neue Lebensperspektiven zu ermöglichen.
Viele von ihnen wirken heute an unseren aktuellen Theaterprojekten, u.a. im Thespis Zentrum mit.
Ich inszenierte seit 2003 an verschiedenen Staatstheatern in Kyjiw. 2014 lud mich die
ukrainische Dramatikerin Natalia Vorozhbyt während der Maidan Revolution ein, in Kyjiw
gemeinsam ein Theater für zeitgenössische Dramatik zu gründen. Wir waren zuvor durch
nach einer Zusammenarbeit am Teatr.doc in Moskau seit 2002 befreundet.
Nach der Revolution auf dem Maidan begann dann aber der Krieg im Osten der Ukraine, der
die Pläne von Natalia Vorozhbyt und mir für ein neues Theater vollkommen auf den Kopf
stellte. Auf einmal stellte sich nicht mehr die Frage, wie man durch moderne
Theaterinszenierungen in Kyjiw Erfolg haben könnte, sondern wie Theater in diesem
schrecklichen Kriegsalltag Menschen helfen kann, mit eben dieser Situation fertig zu
werden.
Wir gründeten im Dezember 2014 zusammen mit dem Kriegspsychologen Alexei Karachinskii das Theatre of Displaced People, das in Kyjiw als Zentrum für Binnenflüchtlinge arbeitete und wo wir versuchten durch Theater mit Betroffenen ihre teilweise traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten, für sie neue soziale Kontakte zu finden und neue Lebensperspektiven zu entwickeln.
Im gleichen Atemzug verwirklichten wir seit 2014 über 30 künstlerische Projekte mit
Schülern, Bürgern und Soldaten in ehemaligen und aktive Kriegsgebieten im Osten der
Ukraine.
Aus dem Verständnis, dass die Heilung der Seele des Menschen die größte Schönheit ist,
versuchten wir eine ganz eigene Theatersprache zu entwickeln, die zum Beispiel in der
Theaterinszenierung Mein Nikolajewka von Natalia Vorozhbyt und mir mit Schülern im
Osten der Ukraine sehr deutlich zu sehen ist. Persönliche Gegenstände von Protagonisten
werden zu “Medien”, durch die die Schüler ihre Geschichten des Erwachsenwerden im Krieg
erzählen. An diesen Gegenständen halten sie sich auch fest bzw. die Gegenstände stützen
die Schüler und wirken wie die “Hand eines Freundes” in ihren Händen. Ziel unserer Arbeit
war, dass die Schüler durch das Mitteilen sich nicht mehr “als Opfer, sondern als Helden
ihrer Geschichten” empfinden. Die Theaterinszenierung, die darauf basierende Filmversion der Inszenierung “Mein Nikolajewka” und der darauf basierende Film “School #3” wurden in vielen Städten in der Ukraine und in vielen Ländern vorgestellt und “School #3” erhielt u.a. 2017 den Grand Prix der internationalen Jury des Wettbewerbs “Generation14+” der 67. Berliner Filmfestspiele (Berlinale).
Mit vielen der Schüler aus der Stadt Nikolajewka arbeite ich bis heute in neuen Projekten, jetzt auch in Deutschland und Bulgarien, weiter.
Ich möchte im Folgenden einige Arbeiten hervorheben, die in erster Linie nur durch das große Vertrauen der Teilnehmenden untereinander möglich waren. Möglicherweise ist dies auch als ukrainischer Gegenentwurf zur Gewalt und politischen Manipulation zu verstehen, die von Russland in der Ukraine schon lange vor 2022 ausging.
Als ich den Monolog Nr.1 von Natalia Vorozhbyt inszenierte, war sie nicht nur Autorin, sondern auch Darstellerin ihrer eigenen Worte. Dieser Monolog war ein Versuch von uns, für Natalia Vorozhbyt eine kräftige Position in den verwirrenden Kriegszeiten zu finden, der das gewöhnliche Bewusstsein auf den Kopf stellte. Auf einmal waren Soldaten nicht mehr die “Trottel der Gesellschaft”, sondern wurden bewundert. Auf einmal war es in Ordnung, Menschen zu töten, um die Ukraine zu retten. Natalia Vorozhbyt fand ihre Position in einer bemerkenswerten Selbstironie, die man sonst in der Ukraine wenig trifft.
Überhaupt standen in unserem Theater selten Schauspieler auf der Bühne, sondern “echte
Menschen”, wie ich mich mal bei einer Probe versprach. Dieser Versprecher wurde so etwas
wie das Leitmotiv unseres Theaters.
Besondere Projekte des Theaters waren sicher auch die Inszenierungen “Die Ware” von Alik
Sardarian und “Gefangenschaft” mit Alisa Kovalenko. Sie bekamen beide große
Aufmerksamkeit in der Ukraine.
Die Ware ist eine Inszenierung von und ein autobiographischer Augenzeugenbericht des
ehemaligen Soldaten und Sanitäters Alik Sardarian, in dem er schonungslos die Brutalität
und das Grauen des Sterbens im Krieg schildert. Im Gegensatz zu der die Helden
glorifizierenden Bilder der staatlichen ukrainischen Propaganda. Es war das Debüt des damals 23 jährigen im Theater, der sich in dieser Zeit zu einem kräftigen Regisseur unseres Theaters entwickelte, der an vielen Inszenierungen mitwirkte.
In Gefangenschaft arbeiteten der Psychologe und Kriegs Therapeut Alexei Karachinskii und ich mit der Dokumentarfilmerin Alisa Kovalenko, die in dieser Inszenierung ihre Erlebnisse in ihrer Kriegsgefangenschaft in Slawjansk ausdrücke, wie physische und
psychische Gewalt. Auf der Bühne standen Alisa Kovalenko und ich zu zweit um die verschiedenen Stadien ihre Gefangenschaft zu rekonstruieren, wobei ich mich immer wieder in neue Rollen von Figuren verwandle, die sie in dieser Zeit
traf.
Nach jeder Vorstellung wurde bis zu 30 Minuten geschwiegen, dann Alisa Kovalenko stehend applaudiert.
Das Theatre of Displaced People nahm an vielen Festivals bei über 20 internationalen Gastspielen teil. Die Partnerschaft mit dem Studio Я des Maxim Gorki Theaters in Berlin und der dabei entstandene mehrfache Gastspiel Austausch war eine große Bereicherung.
Ein für mich wichtiger kuratorischer Versuch war mein Progamm The Stage of Displaced
People im Rahmen des Gogolfest 2016 auch Theaterprojekte zu zeigen, die die
Lebenswirklichkeit von Geflüchteten in und aus anderen Ländern thematisierte, da ja z.B.
syrische Geflüchtete in der Ukraine oft von den Milizen schwer misshandelt werden. Das
Gastspiel der Inszenierung des syrischen Regissseurs Ayham Majid Agha ”Das Skelett
eines toten Elefanten in der Wüste” führte beim Publikum zu einem extremen Kampf mit
dem eigenen Bewusstsein, dass “nicht nur wir leiden”.
Das 2-jährige Projekt Kinder und Krieger in 4 vom Krieg sehr stark betroffenen Städten Städten im Donbass hatte das Ziel, durch das Theaterspielen zum “Erstkontakt” von örtlichen Schüler*Innen und dort stationierten Soldaten beizutragen.
Sie standen nach teilweise sehr kontroversen Auseinandersetzungen untereinander gemeinsam mit ihren persönlichen Geschichten auf der Bühne.
Es hat auf der einen Seite wirklich zu einem Dialog zwischen diesen beiden Gruppen
geführt, der Angst auf beiden Seiten abbaute. Es entstanden dadurch sogar ungewöhnliche
Freundschaften zwischen einzelnen Schülern und Soldaten, die bis heute andauern.
Nie werde ich den Telefonanruf des Kommandanten Wladimir Pastushok der letzten
Grenzbastion vor den feindlichen Truppen vor Popasna vergessen, der an unserer
Inszenierung teilnahm. Es war am Tag nach unserer Premiere und wir fuhren im Zug zurück
nach Kyjiw. Er rief an und sprach: “Heute Morgen haben uns die Schüler hier besucht. Man
kann von hier sogar ihre Häuser sehen. Wenn mein Nachfolger hier ankommt und ich ihm
das Kommando übergebe, werde ich ihm sagen: Siehst du diese Fenster dort? Dort wohnt
Oleg und dort wohnt Marina. Das sind unsere Freunde. Bitte beschütze sie.”
Nie vergesse ich den Monolog einer Schülerin aus Popasna, in dem sie spricht: “Ich kam
aus dem Ferienlager im Bus nach Hause. Plötzlich hörte ich Schüsse. Es überkam mich so
ein Glücksgefühl. Endlich wieder zu Hause”.
Bis Februar 2022 waren wir uns sicher, dass diese Jugendlichen die einzige Kindergenration sein werden, die im Krieg erwachsen werden müssen.
Die Arbeit von Theatre of Displaced People (2014 - 2017) war hauptsächlich ehrenamtlich und wurde gelegentlich vom Goethe Institut unterstützt.
Das Theatre of Displaced People wurde zu vielen Gastspielen in der Ukraine, zu internationalen Gastspielen sowie zu nationalen und internationalen Theaterfestivals eingeladen.
Im Dezember 2015 kürte die gazeta.ua das Theater zur "Wichtigsten Errungenschaft des Ukrainischen Theaters 2015". Dezember 2016 schrieb die Ukrainian Pravda, dass das “Theatre of Displaced People mehr für den Dialog von Menschen aus Ost und West tut, als alle staatlichen Programme zusammen.”
2018 setzte ich meine Theaterarbeit mit Jugendlichen im Osten der Ukraine mit dem PostPlay Theater fort, mit dem wir jährlich mit Unterstützung des Auswärtigen Amts im Programm Östliche Partnerschaften Projekte unter dem Titel Misto to Go in 6 vom Krieg betroffenen Schulen im Donbas durch führten. Das letzte Misto to Go Projekt setzten wir dann Ende 2022 im Thespis Zentrum in Bautzen um, da aufgrund des Krieges es nicht mehr in seinen Schulen im Donbas möglich war.
Viele meiner damals aktuellen und ehemaligen Schüler*Innen, deren Eltern und Lehrer*Innen, sowie meine künstlerischen Kolleg*Innen waren nach Deutschland und auch nach Bautzen geflohen, wo wir mit großer Unterstützung des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters versuchten, ihnen neue Lebensperspektiven zu ermöglichen.
Viele von ihnen wirken heute an unseren aktuellen Theaterprojekten, u.a. im Thespis Zentrum mit.
"Während der Berlin-Premiere erzählt Genoux: „Mit Hilfe von Gegenständen wollten wir unseren Protagonisten ein Instrument in die Hand geben, das ihnen helfen konnte, einen Zugang zur eigenen Geschichte zu finden. Und das ist gleichzeitig ihre Stütze, als ob sie an diesen Dingen festhalten, während sie sprechen“. Sie bezeichnen diesen Ansatz als therapeutisch: den Opfern der Situation helfen, Helden ihrer eigenen Biographie zu werden – das war der Sinn."
Den Krieg besiegen - Inga Pylyptschuk am 20.02.2017 im Auftrag des Goethe-Instituts Ukraine im Kulturmagazin Korydor
"Documentary theatre has developed from а niche experiment for a narrow audience to a definite trend that has notably evolved onstage practice at the heart of which are documentary interviews........The activity of Theatre of Displaced People (the work of director Georg Genoux and playwright Natalia Vorozhbyt) played an important role in the development of this movement. The fundamental focus of this team has become the war in the East of Ukraine and the fate of people who have fallen under the wheels of history. The activity of the Theatre of Displaced People has gone far outside the frame of theatrical form. It has also become a centre of psychological adaptation for people from the East and Crimea as well as the envoy of peace in areas close to the conflict zone. Free from loud declarations and bathetic announcements, the team has done much more in the matter of establishing dialogue and exhibiting loyalty to displaced people from Donbass than all the state programmes put together…"
"Ukrayinska Pravda" about Theatre of Displaced People." (22th December 2016).
"Normal troupes are united in their professional training as actors. Here, the bonds are deeper. The Theater team is united by a shared worldview and values rather than a collective theatrical education. Since the very beginning, Georg and Natalya’s initiative attracted people who felt that a traumatized Ukrainian society needed creative ways to reflect on what was happening. "
The Theater of War: A Psychodrama Project Helps Ukrainians Deal with Trauma - Alisa Sopova in Krytyca.com in March 2018
The Theater of War: A Psychodrama Project Helps Ukrainians Deal with Trauma - Alisa Sopova in Krytyca.com in March 2018
"In der Schule werden sie ein Theaterstück aufführen. Es soll davon handeln, wie Nikolajewka, ihre Stadt, erst von Separatisten besetzt, dann von der ukrainischen Armee zurückerobert wurde. Das Stück soll zeigen, wie sie alle damit fertig werden, was hier im Sommer 2014 geschah."
Mein Nikolajewka - Leitartikel von Daniel Schulz in der taz - am Wochenende am 26.05.2015
Mein Nikolajewka - Leitartikel von Daniel Schulz in der taz - am Wochenende am 26.05.2015
"During lunch at the school’s cafeteria, where a two-course meal costs less than 20 cents, Genoux and Vorozhbyt said that teenagers who have seen the war are more compassionate than those living in the peaceful cities. “They listen carefully, they support each other. There’s no bullying in this school,” Vorozhbyt said. The teenagers who agreed to participate in this project were freed from their classes to talk to the director and the screenwriter about their personal experiences. Genoux said there had been laughter and tears during these talks. He added that they choose for the show only those stories that the children are comfortable sharing with a big audience. “This is sacred for me and Natasha,” Genoux said."
Theater of reconciliation - Kiev Post 10.12.2016 about the project Children and Soldiers by Natalia Vorozhbyt and Georg Genoux
Theater of reconciliation - Kiev Post 10.12.2016 about the project Children and Soldiers by Natalia Vorozhbyt and Georg Genoux
"Genau das ist der Ansatz unseres Theaters, in dem wir viel mit erfahrenen Kriegspsychologen aus der Ukraine zusammenarbeiten, z.B. mit Aleksej Karačinskij. Die Flüchtlinge werden auf der Bühne zu Helden ihrer eigenen Biografie. Sie schreiben selbst an ihren Texten, verbalisieren die Geschehnisse und präsentieren diese Texte einem Publikum, das durch den Krieg im eigenen Land direkt betroffen ist. Im besten Fall entwickeln sich bei der Arbeit an der eigenen Biografie und deren Darstellung neue Lebensperspektiven."
Interview mit Georg Genoux von Sylvia Sasse in Geschichte der Gegenwart 27. 07.2016
Interview mit Georg Genoux von Sylvia Sasse in Geschichte der Gegenwart 27. 07.2016